Bei der (Weiter-)Entwicklung von Produkten greifen Produktgestalter nicht auf vollkommene Willkür zurück, sondern nutzen ihre Erfahrungen und bereits Gelerntes. Dieses grundlegende Wissen verteilt sich auf die vier Wissensdomänen Produkt, Nutzer, Produktumfeld und Nutzungskontext. Wissen aus allen vier Bereichen ist notwendig, um ein erfolgreiches Produkt zu entwickeln. Die vier Wissensdomänen dienen auch der Grundlage für die persönliche Weiterentwicklung, um sich selber in die Lage zu versetzen ein besseres Produkt zu erzeugen.
Wissensdomänen
Das Wissen von Menschen lässt sich in Wissensdomänen einteilen, die eine bestimmte Thematik behandeln. Häufig findet man in solchen Wissensdomänen auch eine spezielle Fachsprache, die notwendig ist, um Informationen und deren Beziehungen klar und verständlich zwischen Beteiligten auszutauschen. Vielfach ist eine solche spezifische Sprache wichtig, da die Alltagssprache zu ungenau ist. Ein Produktteam spricht wie selbstverständlich von den verschiedenen Nutzerrollen, Feature-Bezeichnungen und anderen Spezifika, die von außenstehenden anders verstanden würden. Die Sprache findet sich häufig in Glossaren, kann aber auch einen ausgeprägten informellen Charakter haben.
Produkt
In der Domäne Produkt sind alle Eigenschaften und Kenntnisse über das eigene Produkt zusammengenommen. Das umfasst sowohl die einzelnen Features als auch Einschränkungen und Begrenzungen des Funktionsumfangs. Gerade bei Sonderfällen kommt es hier auf ein detailliertes Wissen an. Das Wissen über das eigene Produkt ist vor allem dann relevant, wenn anderen, nicht so tief in der Produktentwicklung beteiligten Personen, eine ausführliche Beschreibung des Funktionsumfangs gegeben werden soll. Besonders bei Rückfragen zu sehr speziellen Situationen, ist es hilfreich das eigene Produkt in und auswendig zu kennen. In der Regel sollte das Produkt dadurch bekannt sein, dass ein bereits abgearbeitete des Backlog existiert, dessen Einträge beschreiben, was das Produkt kann.
Nutzer
Beim Nutzer geht es um Kenntnisse rund um die Verwender eines Produkts. Damit sind nicht nur soziodemographische Daten gemeint, sondern vor allen Verhaltensweisen und Vorerfahrungen. Auch gehören hier Wahrnehmungen Reaktionen dazu, die die Personen in verschiedenen Situationen erleben. Psychologische und physiologische Parameter sowie Erwartungen und klassische Verhaltensweisen bilden den Rahmen des Nutzers.
Üblicherweise werden hier Methoden verwendet wie beispielsweise Personas. Dadurch wird ein Stellvertreter des Nutzers im Entwicklungsprozess berücksichtigt. Wissen und Erfahrungen in dieser Domäne lassen sich gerade durch die Verwendung von Personas (siehe auch Persona-driven User Stories) gut im Team teilen, da die Vorteile wie Reduzierung der Selbstreflexion und vermeiden des elastischen Nutzers zu einem gemeinsamen, geteilten Verständnis über den Nutzer führen.
Zur Steigerung des Wissens in dieser Domäne empfehlen sich auch Beteiligungen am User Research. Gerade die Teilnahme aller Entwickler, also nicht nur der Researcher oder Requirements Engineers, an User Research Maßnahmen hilft hier Wissen aufzubauen. Besonders gibt das gemeinsame Reflektieren Erkenntnisse aus solchen Maßnahmen und erlaubt dem Individuum entsprechende Expertise aufzubauen.
Produktumfeld
Das Produktumfeld beschreibt den Markt und die vergleichbaren Konkurrenzprodukte des eigen Produkts. Hier zeigt sich für mögliche Anwender alternative Lösungen des Problems, das mit dem eigenen Produkt gelöst werden soll. Gerade vergleichbare Konkurrenzprodukte lassen hier ein Schluss zu, welche Eigenschaften das eigene Produkt haben muss, damit es erfolgreich ist. Zum Produktumfeld gehört auch, in welchem Ökosystem das Produkt verwendet wird. Beispiele hierfür sind Betriebssysteme, Konsolen oder andere Plattform. Deren Eigenschaften gehen direkt in der Gestaltung eines Produkts ein und formen beim Nutzer Erwartungshaltungen.
Um Kenntnisse und Wissen über das Produktumfeld aufzubauen können Marktanalysen verwendet werden, die die Rahmenparameter des Marktes zusammenfassen. Eine genaue Analyse von direkten Konkurrenten, hilft sich in der Entwicklung von diesen klar zu differenzieren und eigene Vorteile zu entwickeln.
Für einen Ausbau der eigenen Kenntnisse im Bereich des Produktumfelds, sollte speziell der Markt betrachtet werden. Es empfiehlt sich Konkurrenzprodukte testweise zu verwenden, um über deren Eigenschaften Erfahrungen zusammen. Weitere Alternativen sind der Konsum von YouTube-Videos oder Blogbeiträge, die Produkte des eigenen Bereichs vergleichen oder vorstellen. Auch helfen Vergleichsseiten, die Unterschiede zwischen verschiedenen Produktvarianten und Produktversionen verschiedener Hersteller aufzeigen und nach diversen Kriterien aufschlüsseln. Hierbei ist es wichtig, zu verstehen, welche Nutzer von Konkurrenzprodukten tatsächlich mit den Nutzern des eigenen Produkts vergleichbar sind.
Nutzungskontext
Der Nutzungskontext beschreibt die Situation bzw. die Umgebungsparameter, die die eigentliche Nutzung des Produkts beschreiben. Dazu gehören Arbeitsaufgaben, Materialien sowie die physische und soziale Umgebung in der das Produkt genutzt wird. Die situativen Besonderheiten der Nutzung müssen bei der Gestaltung des Produkts berücksichtigt werden, da beispielsweise klassische Parameter wie Sonneneinstrahlung, Helligkeit, Umgebungslautstärke o. ä. Parameter die Gestaltung des Produkts maßgeblich mit beeinflussen. Eine Berücksichtigung ist zumindest notwendig, damit in der tatsächlichen Nutzung das Produkts zielführend, sinnvoll und befriedigend verwendet werden kann.
Die Beschreibung des Nutzungskontexts kann über verschiedene Formate erfolgen. Eine verbreitete Methode sind Storyboards, die die Verwendung des Produkts innerhalb des Kontextes visualisieren und beschreiben ohne hohe Anforderungen an die Gestaltung zu stellen. Auch Szenarien können eingesetzt werden, um den Kontext der Nutzung darzustellen.
Um das eigene Wissen im Bereich Nutzungskontext auszubauen, bieten sich Kontextanalysen und vor allen auch Gespräche mit Nutzern an. Bei den Gesprächen sollte der Fokus allerdings auf die Situation der Nutzung gelegt werden, weniger auf die eigentliche Interaktion mit dem Produkt.
Zusammenfassung
Für den Produktentwickler ist es von großer Relevanz in genau diesen vier Bereichen Expertise aufgebaut zu haben. Als Produktentwickler sollten wir uns selber fragen, ob wir in allen vier Bereichen ausreichend gute Kenntnisse haben. Häufig kommt es vor, dass wir nur in einen der Bereiche ausreichende Kenntnisse haben und die anderen bzw. einen Bereich vernachlässigen. Bei der Beurteilung welche Eigenschaften in welcher Art und Weise für ein Produkt ausgestattet sein müssen, kann es so zu ein Defizit kommen, das dazu führt, dass das Produkt nicht erfolgreich ist.
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